Mittwoch, 13. August 2014

Vor 26 Jahren: Massaker an politischen Gefangenen im Iran


Vor 26 Jahren: Massaker an politischen Gefangenen im Iran

Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Hinterbliebene der Opfer und Menschenrechtler fordern, dass die Verantwortlichen für die Massenhinrichtungen nach internationalem Recht strafrechtlich verfolgt werden.
m August 1988 begannen in den Gefängnissen Irans systematische Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen, die bis Anfang 1989 andauerten. Die Massenhinrichtungen von 1988 zählen zu den schwersten Menschenrechtsverbrechen des fundamentalistischen Regimes im Iran. Die Hinrichtungen waren ein in der Geschichte Irans beispielloser Akt staatlicher Gewalt - beispiellos in der Form, Intensität und der Art und Weise, wie die Hinrichtungen vollstreckt wurden. Nach Schätzungen fielen diesem staatlich organisierten Massenmord bis zu 30000 Menschen zum Opfer.
Unter den Opfern waren Tausende von Gefangenen, die schon jahrelang unter unmenschlichen Bedingungen in Haft waren und gegen sie verhängte Freiheitsstrafen verbüßten. Auch zahlreiche ehemalige politische Gefangene wurden in dieser Zeit erneut in Haft genommen und „verschwanden“ dann spurlos. Unter den Opfern waren viele Frauen und Männer, die wegen Verteilen von Flugblättern, Teilnahme an Demonstrationen oder der finanziellen Unterstützung von Familien der politischen Gefangenen inhaftiert waren. Die meisten Hingerichteten waren Mitglieder der iranischen Oppositionsbewegung PMOI. Betroffen waren aber auch Mitglieder kleinerer Oppositionsgruppen.
Augenzeugenberichte ehemaliger politischer Gefangener, die das Massaker überlebten, besagen, dass die Gefängnisbehörden bereits Anfang 1988 erste Maßnahmen für die Massenhinrichtungen im Sommer ergriffen. Die Gefangenen wurden nach ihrer politischen Zugehörigkeit in Zellenblöcken zusammengelegt, mutmaßliche Unruhestifter in Isolationshaft verbracht.
Kurz bevor die Hinrichtungen begannen, wurde vom damaligen Regime-Führer Khomeini eine geheime Anweisung erlassen, dass Sonderkommissionen eingesetzt werden sollen, um gegen die politischen Gefangenen aus den Reihen der PMOI vorzugehen. Diese seien als sog. „Feinde Gottes“ hinzurichten.
Im Juli 1988 wurden die Gefangenen vollständig von der Außenwelt isoliert: Fernsehgeräte wurden aus den Abteilungen entfernt, die staatlichen Rundfunknachrichten nicht mehr über Lautsprecher übertragen. Familienangehörige wurden an den Gefängnistoren ohne Erklärung abgewiesen. Drei Monate lang herrschte Ungewissheit über das Schicksal der politischen Gefangenen.
Überlebende ehemalige Gefangene berichteten, dass Kommissionen, bestehend aus einem religiösen Richter, einem Staatsanwalt und einem Angehörigen des Geheimdienstministeriums, die Gefangenen einem erneuten Verhör unterzogen. Zunächst wurden die Anhänger und Sympathisanten der PMOI vor diese "Todeskommissionen" gebracht. Die ahnungslosen Gefangenen wurden über ihre politische Zugehörigkeit befragt. Wer sich nicht von der PMOI lossagte und bereit erklärte, andere Oppositionelle zu denunzieren, wurde nach nur wenigen Minuten zum Tode verurteilt. Das "Urteil" wurde sofort durch Erhängen im Gefängnis vollstreckt.
Solche „Todeskommissionen“ gab es in den Gefängnissen Teherans wie auch der Provinzstädte. Die Häftlinge sollten ihrer politischen Überzeugung öffentlich abschwören. Die linken Gefangenen wurden zusätzlich über ihren religiösen Glauben und ihre Gebetspraxis verhört. Wer an seiner Überzeugung festhielt und sich nicht als praktizierender Moslem bezeichnete, wurde hingerichtet.
Vor der Hinrichtung wurden den Gefangenen die Augen verbunden und sie wurden an den Galgen geführt, wobei jeweils sechs Personen an einem Galgen erhängt wurden. Das Hängen erfolgte dabei durch Hochziehen des um den Hals geschlungenen Seils, um die Gefangenen zu ersticken. Der Tod trat nach mehreren Minuten ein. In Einzelfällen dauerte es bis zu 15 Minuten, bis der Hingerichtete verstorben war. Auch Frauen, die der PMOI angehörten, wurden wie die Männer als „Feinde Gottes“ erhängt.
Im Spätherbst wurden die Angehörigen der Hingerichteten, die wegen der vielen Gerüchte in äußerster Sorge lebten, in die Gefängnisse bestellt. Sie wurden lediglich über den Tod ihrer Angehörigen informiert. Über die Exekutionen zu sprechen oder Trauerfeierlichkeiten abzuhalten, war strengstens verboten. Auch über die Orte, wo die Opfer verscharrt wurden, schweigen die Behörden bis heute. Augenzeugen und Familienangehörige wurden eingeschüchtert und bedroht, damit keine Informationen darüber an die Außenwelt gelangen.
Die Hingerichteten wurden von ihren Henkern in namenlosen Massengräbern verscharrt. Bekannt geworden ist das Khavaran-Gräberfeld im Süden Teherans. Auf diesem vom Regime zum „Friedhof der Verdammten“ deklarierten Areal herrscht ein strenges Versammlungsverbot, und auch die Grabpflege ist untersagt. Trotzdem kommen die Hinterbliebenen hier immer wieder zusammen und nehmen dafür Repressalien durch die Regimepolizisten in Kauf. Sie kommen mit Blumen und Fotos ihrer 1988 getöteten Ehemänner, Brüder, Söhne, Ehefrauen, Schwestern und Töchter. Sie gedenken der Toten und verlangen Aufklärung. Sie tragen dazu bei, dass dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht in Vergessenheit gerät. Die Angehörigen fordern die Aufklärung der grausamen Vorgänge. Sie verlangen Klarheit darüber, unter welchen Umständen die politischen Gefangenen getötet und wo die Leichen vergraben wurden.
Die Verantwortlichen für das Massaker von 1988 haben nach wie vor hohe Machtpositionen innerhalb des Regimes im Iran inne. Viele hochrangige Vertreter des aktuellen Regimes, von der Regierung bis hin zur Justiz und zum Geheimdienstapparat, waren bei dem Massaker direkt involviert.
Menschenrechtler und Hinterbliebene haben die Vereinten Nationen aufgerufen, das Massaker von 1988 offiziell als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuerkennen, damit die Täter nach internationalem Recht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Derartige Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht straflos bleiben, gleichgültig wann sie begangen wurden.

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